Notizen
einer Reise durch den Midi
( Teil 2: Freunde )
... Bereits im November waren wir für "a Wöchla" im Süden und an den Dentelles-de-Montmirailles lernten wir eine französische Familie kennen. Die Frau sprach auch ein wenig deutsch und es war ein netter Ratsch am Wandfuß. Später eilten sie uns nach, weil A. ihre Kletterpatschen liegengelassen hatte. Sowas trifft man selten!
Naja, und genau die Menschen trafen wir wieder in La Clape. - Wie klein doch die Kletterwelt ist - obwohl damals an den Dentelles bestimmt 300 französische Kletterer waren. Small talk; sie wollen nächstens ins Frankenjura und laden uns ein, bei der Rückfahrt von Spanien vorbei zu kommen. Spätestens der Schnee am Zeltplatz bei Montpellier veranlaßt uns zum Anruf. Verblüffung bei Dany. Date für den nächsten Tag.
Und dann werden es vier sehr schöne Tage mit Freunden. Wir wohnen bei ihnen, im größtenteils selbstgebauten Haus - ausgebaut mit Hilfe der erwähnten EU-Prämie (Stillegung für Weinberge, siehe Teil 1). Und sie zeigen uns ihre Haus- und Hofgebiete.  
In St.Bauzille z.B. dominiert technisch anspruchsvolle Kletterei, steil, oft etwas überhängend, aber in jeder Tour mindestens eine Passage mit Reibungstritten, Durchstütztern oder Trau-Dich-Stelle.  
Oder in Claret, dem modernsten Sport- klettergebiet. Eine umgekehrte Treppe, große Auflegergriffe, Popey-Unterarme. ErschlosOder in Claret, dem modernsten Sport- klettergebiet. Eine umgekehrtesen von Huegues B., einem Rasta, dessen Routen alle in Schlangenlinien den Weg nach oben suchen. Ein wahrlich schöner Topo erläutert die 150 Wege, von denen allein 85 zwischen 7a und 7c+ liegen. Nachahmenswerte Anekdote am Rande: für das "Ergebnis des natürlichsten aller Bedürfnisse" sind zwei Spitzhacken zum allfälligen Gebrauch am Wandfuß aufgehängt.
Einen Ruhetag verbringen wir mit bouldern an einem kleinen Übungsfelsen, hoch über einem Fluß. Und Jean schwärmt von den terrain-d'aventure - Routen am Hortus und am Pic-St.Loup. Dort liegt derzeit aber Schnee und echte Winterbegehungen wollen wir doch nicht machen.
In St.Bauzille zieh' ich mal das T-shirt aus und präsentiere meinen bleichen body - und ernte Hohn und Spott von Jean. Er kann meinen Sonnenhunger nicht nachvollziehen "Keiner macht das. Siehst du hier jemand ohne Hemd?" - Die spinnen, die Deutschen! ( was wir in Bayern einen Brauerei-Spoiler nennen, kennen die Franzosen als "abdomen-kronenbourg" - nur für alle Bauchgeschädigten, sei's nebenbei erwähnt ) Ach ja, plötzlich kommt ein Päarchen, angeseilt, er mit stierem Blick, heroisch nach oben, die Route, in die wir grade einsteigen wollen, genau musternd, sie sagt "mach's halt einfach", er erinnert sich an ein Rudiment von Anstand und fragt "was macht'n ihr?" und zieht verärgert von dannen, als Jean französisch antwortet. Ja, ja, wo kommen wir denn hin, wenn bei 300 Routen so ein dahergelaufener Einheimischer einfach klettern will wozu er Lust hat. Na gut, nicht alle Deutschen sind Arschlöcher (Anwesende ohnehin ausgenommen).
Zwei Tage vorher trafen wir eine internationale Seilschaft - ein Franzose, eine Deutsche, ein Walliser - Studenten aus Montpellier, die sehr freundlich waren und mit denen wir viel Spaß hatten. Trotzdem, ein Rest von Unbehagen bleibt, z.B. auch wenn Jean sagt, daß ich mehr Klettergebiete im Süden kenne als er (und es mehr Topos auf Deutsch gibt,  als bei ihnen) oder gar, wenn er erzählt, daß er in Bonn als "Türke" mehrfach verhaftet wurde...

Der Abschied von den neuen Freunden war herzlich, der Weinkeller ist gefüllt und wir zehren von unseren Erinnerungen ("soo kalt war's doch gar nicht...") - a bientot!
  
Die "Reise durch den Midi" erschien in etwas anderer Form bereits 1/'95 in der Zeitschrift "On Sight"; seither haben wir uns noch oft mit Jean und Dany getroffen und stehen im Briefkontakt und der Weinkeller wird jährlich (mehrmals) aufgefüllt...