Warnung! Diese story hat keine Pointe und keinen Witz.

Ein Unfallbericht
- oder: ein ausführlicher Logbuch-Eintrag

Im Oktober 2002 machten wir einen Tauch-Urlaub am Roten Meer. Marlis und ich waren immer als Team unterwegs - bei einem Check-dive bescheinigte man uns die Fähigkeit und Fertigkeit allein zu zweit zu Tauchen. Obwohl unsere Erfahrung äußerst gering war (Marlis mit mir vor  2,5 Jahren den Open Water Diver gemacht und seitdem nicht getaucht und ich nur fünfmal dazwischen).
Mehrere Tage hintereinander machten wir Hausriff-Tauchgänge und alles klappte gut ( außer, dass ich recht viel Luft verbrauchte ). Dann endlich entschlossen wir uns zu einem Bootsausflug - zumal es vorher hieß, die Fahrt ginge an eine ruhige Bucht, wo man auch schnorcheln könne ( deshalb durfte/musste auch Angie mitfahren...).
Leider war das Meer nicht so ruhig wie erhofft, das Ziel wurde kurzfristig geändert und wir wurden heftig schaukelnd gen Norden gebracht. Einige fütterten die Fische, dann hatten wir Ruderschaden - noch mehr kotzten. Nach fast zwei Stunden konnten wir endlich in die Bucht vor dem Utopia Beach Resort einlaufen und ankerten auf der Nordseite des Riffs Torfu Lassal.

  

   
Briefing. Alles herrichten. Wir sind am Schluss der ersten Gruppe. Der Bleigurt sitzt nicht richtig, aber sonst ist alles o.k. Wir halten die Tauchtiefe und das Wasser ist wider Erwarten relativ gut sichtig, die Korallenwelt bizarr und wir sehen sogar ( zweimal ) eine große, zahm wirkende, Suppenschildkröte. Auch die Luft reicht gut bis ans Boot. Eigentlich doch ein schöner Tauchgang.
 Wieder auf dem Boot stell ich fest, dass jemand meinen Bleigurt genommen und mir dafür seinen ( für mich zu kurzen ) gelassen hat. Ich fädle mehrmals hin und her, s' wird aber nix rechtes, außerdem schaukelt das Boot so, sodass ich gleich ... Dann Mittagessen und ein Schläfchen.
 
"Briefing!" - ich schrecke hoch. Lang, kompliziert, viele Erklärungen. Ich merk' mir eigentlich nur "Riff an der linken Schulter". Fertig machen. Anziehen. Mit dem Boot über die Bucht an die Südseite. Heiß ist's im Anzug und es schaukelt ekelhaft. Plötzlich heisst's "Schnell! Alle raus!" und zwanzig Taucher plumpsen ins Meer. Ein Drop-off mit One-way-dive ( dh. das Boot fährt weiter und nimmt uns dann wieder auf ). Mein Jacket hab ich gar nicht aufgeblasen ( ich will Luft sparen ) - aber im Wasser rutscht mir der Bleigurt in die Knie und ich muss ihn festhalten und doch aufpumpen und an die Oberfläche und basteln und dann geht's schon. Ja, es geht schon ab. Schnell! Bei 20 Metern mach ich das Stop-Zeichen zu Marlis. Ok! Und doch geht's weiter ab - immer den Voraustauchenden hinterher. Schließlich sind's ungeplante 28,3 Meter. Und so geht's weiter. Alles passt irgendwie nicht - 20 Taucher behindern sich gegenseitig, die Tauchtiefe halten ist schwer und manche finden ihren buddy nicht ( einer verwechselt seinen immer mit Marlis ). Außerdem ist die Sicht unter 5 Metern und alles ist trüb. Einen großen Zacki seh' ich, sonst eigentlich nix. Und dann wird meine Luft knapp. Wir steigen etwas höher - Marlis hat immer Sorge den Anschluss  zu verlieren - ich will nur weiter rauf ( wg. des "Tauchprofils"). Einige Minuten geht das gut, aber wir müssen langsam höher - nur noch 40 bar. Sehen, tun wir nix. In 5 Meter Höhe sind rundum nur noch die Blasen der unter uns Tauchenden - die Orientierung wird schwer und die Blasen verschaffen zusätzlich Auftrieb - Plopp! Schon sind wir an der Oberfläche. Ich hab' noch 20 bar, Marlis bietet mir ihren Oktopus an, aber ich seh das Boot ( vielleicht 50 m entfernt ), der Computer zeigte auch schon vorher "keine Dekozeit nötig" an - also: alles im Griff. Nochmal gut gegangen, wenn auch vorher Murphy zugeschlagen hat und alles schief ging.

Also gut. Ich blas das Jacket noch ein wenig auf. Nehm den Schnorchel, leg mich auf den Rücken und paddle Richtung Schiff. Es ist ziemlicher Seegang und Marlis zupft noch an meinen Flossen - aber eigentlich ist alles easy und ich mach weiter. Bis kurz darauf ich mit der Flasche am Boden kratze - ?!

Was ist los? Ringsum nur Riffdach. Die Wellen haben mich einerseits vom Kurs abgebracht, andrerseits ist wohl ein Riff vor dem Boot und ich mitten drin. Die Wellen beuteln mich ganz schön rum! Ich schlucke auch viel Wasser, würg es raus, blas den Schnorchel aus und will Luft holen - da kommt schon die nächste Welle! Langsam wird's eng! Keine Panik, ruhig atmen - ICH KRIEG ABER KEINE LUFT - nicht hyperventilieren, noch mal mit dem Atemregler probieren Luft aus der Flasche zu atmen ( scheißegal, ob dann die Flasche leer und kompliziert zu reinigen etc.). Aber ich hab' schon zuviel Wasser intus. Ich winke einem Ägypter im Boot zu - der winkt fröhlich zurück! Wie im Film. Scheiße! Ein unartikulierter panischer Schrei und hinterher einige "HELP!" Meine Kräfte lassen nach, ich tauche immer wieder unter Wasser, krieg kaum mehr Luft und gegen die Wellen kann ich mich nicht mehr lange halten.
        
Und dann sind meine zwei Retter da: ( Koch und Skipper vom Boot, ohne Ausrüstung, aber schnell und routiniert ) Sie blasen mir erstmal das Jacket prall auf, ich öffne meinen Bleigurt und reiche ihn dem einen Retter und sag noch "take it" - er nickt und ich seh genau, der lässt ihn fallen! Und so macht er's auch ( hat natürlich recht: was soll er sich mit 10 kg Zusatzgewicht belasten, er hat ja schon mich am Hals...). Beide schleppen mich Richtung Boot und langsam werd' ich ruhiger und bekomm auch wieder Luft. Die Einstiegsleiter komme ich noch nicht allein hoch und oben würg ich noch einiges an Salzwasser aus... Mittlerweile hat einer der Jungs meine Flossen und Brille genommen, ist zu Marlis rausgeschwommen und hat sie zum Boot gelotst ( da war ein schmaler Kanal im Riff, den sie so nicht finden konnte ).
  
Unmittelbar danach hatte ich Schädelweh, als ob mir der Kopf platzen würde und ich war einfach platt. - Noch heute, drei Wochen später, sind die Hals-, Nacken- und Kopfschmerzen noch nicht ausgestanden. S'war wohl sowas wie ein Schleudertrauma, evtl. auch eine leichte Gehirnerschütterung, sowie eine kräftige Unterversorgung mit Sauerstoff und das Trommelfell war "aus dem Gefüge" geraten ( auf deutsch: heftig überdehnt, zwei Monate Tauchverbot ) - wahrscheinlich durch den Wellenschlag.

Fehler - ? Wenn ein Riff in der Nähe ist, nicht rückwärts schwimmen, sondern schauen, wo's hingeht ( am Besten zusammen mit dem Buddy - einer schaut nach unten, einer nach vorne ). Und auf dem Dach hätt' ich einerseits nicht mehr Material schützen sollen (Flasche, Bleigurt etc.) und andrerseits hab' ich nicht drangedacht, dass man das Jacket auch mit dem Mund aufblasen kann - das hätte genug Auftrieb gebracht...

Anderntags war ich auf jeden Fall wieder tauchen - wenn auch wieder vorsichtiger und nur am Hausriff. Und dann stellte sich auch - endlich! - heraus, dass bei meiner Ersten Stufe (= Ventil auf der Flasche) der Mitteldruck nachreguliert werden musste. Dort blubberte die Luft nur so heraus - anschließend hatte ich 15 Minuten länger Luft!